Whisky – eine kleine Reise

Von Patric Lutz, Partner & Geschäftsführer Charles Hofer SA

Ich gebe ehrlich zu, bis vor 10 Jahren verursachte nur schon der Geruch von Whisky bei mir Brechreiz. Das hatte aber nichts mit dem Whisky zu tun, sondern mit der einen Flasche J&B die ich in meiner Jugend zu zweit mit reichlich Cola an einem Abend leerte. Beziehungsweise mit den Erinnerungen der Folgen am darauf folgenden Tag. Aber eben, das ist Geschichte.

Mit oder ohne solche Erlebnisse scheiden sich die Geister beim Genuss von Whisky. Die einen verabscheuen es und andere finden es das Beste was sich aus Getreide herstellen lässt. Der Whisky macht es einem aber nicht leicht. Fast unübersichtlich gross ist die Vielfalt. Einige mögen sich mit den exklusiven und extrem teuren Produkten schmücken, persönlich finde ich schlussendlich sollte er einfach Spass beim Trinken bereiten. Whisky hat nicht die Kühle von Vodka oder die Süffigkeit vieler Weine. Es ist kein Produkt für Desperados wie Tequila und nicht so «Very British» wie Gin. Oft ruht in ihm die Sehnsucht vergangener Tage, ja, er hat vielleicht sogar etwas Altmodisches an sich. Und meiner Meinung nach ist er somit wieder sehr modern: ehrlich, traditionell hergestellt verbindet er uns mit der ganzen Geschichte der vergangenen Jahrhunderte.

Ich könnte nun eine mehrseitige Abhandlung über Herstellung, Herkunft, Alterung, Brennereien, Brennblasen und so weiter schreiben, werde aber darauf verzichten. Zu viele Artikel sind darüber bereits geschrieben worden. Fachliteratur gibt es «en masse». Ich lade Sie vielmehr auf einer Reise zu «unseren» Brennereien ein.

Fliegen Sie gemütlich ab Zürich oder Genf nach Glasgow. Ein bisschen ausserhalb von der Industriestadt Glasgow beginnt wunderschöne Schottische Landschaft. Auf ihrer 40-minütigen Fahrt nach Dumgoyne sehen Sie unzählige verschlafene Dörfer, Kirchen und massenweisse Schafe auf den Feldern. Und dann liegt sie da, die Glengoyne Distillery. Viele bezeugen, dass es eine der schönsten Brennereien Schottlands ist. Seit 1833 wird hier destilliert, im Tal der wilden Gänse. Ein romantischer Wasserfall im Hintergrund und die Brennerei direkt an einer viel befahrenen Strasse. Schlichtes perfekt weiss getünchtes Gebäude. Im Innern wird so langsam destilliert wie in kaum einer anderen Brennerei Schottlands. Dabei wird nur 100%ig ungetorftes Malz (hergestellt aus Golden-Promise-Gerste welche sonst nur noch von Macallan verwendet wird) verwendet. Gereift wir vornehmlich in Ex-Sherry-Fässern aus europäischer und amerikanischer Eiche. Die Strasse (West Highland Way) vor der Brennerei trennt das Produktionsgebäude von den Lagerhäusern und ist gleichzeitig die Grenze zwischen den Highlands und den Lowlands. Die Whiskys von Glengoyne sind leicht süss, immer rauch- und torffrei, haben feine Apfel- und Butternoten und würzige Aromen von Christmas Pudding.

Fahren Sie nach dem Besuch zurück nach Glasgow oder übernachten Sie in der Nähe. Am kommenden Morgen steht eine, je nachdem wo Sie übernachtet haben, 45 bis 90 minütige Autofahrt nach Ardrossan an. Dort nehmen Sie die Fähre nach Brodick auf der Insel Arran. Bereits die Überfahrt ist ein Erlebnis; frühstücken Sie schottisch an Board, geniessen Sie die frische Brise, vor allem lassen Sie sich aber von dieser wildromantischen Seefahrt bezaubern. Einmal auf Arran eingetroffen haben Sie verschiedene Möglichkeiten. Die Insel gilt als „Little Scotland“ und Sie können die ganze Insel in etwa 2 Stunden gemütlich umfahren. Auf der östlichen Küstenstrasse fahren Sie von Brodick nach Lochranza. Viel unberührte Natur, bevor Sie nach Lochranza kommen und dort die Isle of Arran Distillery nicht übersehen können; eine sehr dramatische Landschaft. Da erst seit 1995 in Betrieb ist alles neu und modern; gearbeitet wird aber traditionell. Die Whiskys von Arran haben alle ihre Frische und Fruchtigkeit gemein, Aromen von Äpfeln und Birnen gepaart mit exotischen Früchten und feiner Vanille im Hintergrund.

Nebst der Brennerei finden Sie auch eine Vielzahl Geschichtsstätten auf der Insel; eine kleine Rundfahrt lohnt sich in jedem Fall bevor Sie am kommenden Morgen die Fähre wieder zurück aufs Festland nehmen.

Falls Sie nun auch noch Glenrothes besuchen möchten, dann reisen Sie quer durch die Highlands in die Region Speyside; je nach gewählter Route innert 4-6 Stunden. The Glenrothes kann nicht einfach so besucht werden; möglich ist es nur auf Anmeldung oder Einladung von Berry Bros. & Rudd, den Besitzern der Marke The Glenrothes. Wenn dies aber klappt, dann bekommt man eine sehr grosse perfekt unterhaltene Destillerie zu Gesicht. Der Brennmeister arbeitet inmitten der Brennblasen auf einem Podest an einer Konsole, die einem eher ein Raumschiff in Erinnerung ruft. Nun sind die Zusammenhänge von Glenrothes ein bisschen komplizierter: die Destillerie gehört der Highland Distillers Group Ltd. (Teil der Edrington Group), die Marke The Glenrothes aber wie genannt Berry Bros. & Rudd in London. Deswegen wird auch vornehmlich für Blends produziert (Famous Grouse, Cutty Sark) und nur ein kleiner Teil findet den Weg in eine Vintage-Abfüllung The Glenrothes. Dafür aber die allerbesten Fässer und alle nach dem Motto „Maturity matters, not age“. Die Whiskys von The Glenrothes sind typische Vertreter der Speyside und doch in ihrer Stilistik einzigartig; Aromen von Orangen- und Zitronenzeste, Vanille und Toffee mit einem Hauch Kokosnuss herrschen vor.

Falls Sie nun zurück in die Schweiz wollen, dann fahren Sie in 90 Minuten am besten nach Aberdeen und fliegen von dort via London wieder zurück nach Zürich oder Genf.

Zurück im Alltag besorgen Sie sich Ihre Lieblinge dieser Brennereien. Und jedes Mal wenn Ihnen der Alltag wieder einmal zu eng wird, verreisen Sie mit einem schönen Dram. So kann man sogar traumatische Jugendsünden hinter sich lassen und neue positive Erinnerungen speichern – glauben Sie mir, da spreche ich aus Erfahrung!

Und falls Sie sich nun fragen, warum die Neuzugänge Tomatin, Kilkerran und Penderyn nicht in der Reise vorkommen, dann sehen Sie es als Vorfreude für eine Reisevorschlag Teil 2.

Sláinthe Mhat!

Für alle die im Internet mehr über Herstellung etc. nachlesen möchten, empfehle ich folgende Links.

Allen, die eher analog funktionieren, lege ich das Buch unseres Freundes Peter Hofmann ans Herz – «Whisky – Die Enzyklopädie» (ISBN-10:3-03800-718-8)